Nachlese des Didaktiktreffs vom 24.04. zu „KI und Prüfungen“

.. wobei der Didaktiktreff in diesem Fall bereits die Nachlese des DiKuLe-Symposiums 2024 in Bamberg war, bei der die beiden Keynotes „KI in der Hochschullehre“ aus unterschiedlichen Perspektiven aufgegriffen haben. Die Unterlagen zu den beiden Vorträgen sind hier frei verfügbar.

Der erste Vortrag Perspektiven und Gestaltungschancen: KI in der Hochschullehre von Prof. Dr. Dana-Kristin Mah (Digitales Lehren und Lernen, Leuphana Universität Lüneburg) fokussierte sich auf die Umbrüche in der Hochschullehre durch die allgemeine Verfügbarkeit von insbesondere generativer KI. Sie hatte eine klare Zukunftsvision von einer Akzeptanz von KI in der Lehre als integralem Baustein. Die Gegenwart sieht sie als eine Umbruchphase, deren Unsicherheiten mit Aufklärung begegnet werden kann, beispielsweise durch Lehre über KI oder der Entwicklung von entsprechenden Didaktiken, Leitlinien und Prüfungsformaten.

Der zweite Vortrag KI und Prüfungen von Prof. Dr. Dominik Hermann (Privatsphäre und Sicherheit in Informationssystemen, U Bamberg) stellte die Herausforderungen in den Vordergrund, die sich bei der Bewertung von studentischen Leistungen ergeben. Seine zentrale Frage lautete „Wie reagieren wir auf KI als Werkzeug? – nicht: wie sind KI-Kompetenzen zu prüfen“. Er stellte beispielhafte Formate vor, mit denen Studierende KI zur Vorbereitung zwar nutzen können, in Präsenzprüfungsformaten aber stets eine nachvollziehbar erbrachte Leistung bewertet wird.

Einsatz von KI in der Hochschullehre an der Hochschule Esslingen

In der Diskussion im Didaktiktreff lag das Augenmerk auf dem Einsatz von generativer KI wie ChatGPT, DeepL, o.ä. Die Teilnehmenden haben nach einem kurzen Impuls (Folien am Ende) zunächst ihren bisherigen Einsatz von generativer KI in der Hochschullehre geschildert. Dabei lässt sich nach
den Ethischen Leitlinien für Lehrkräfte über die Nutzung von KI und Daten für Lehr-Lernzwecke (Europäische Union (2022)) eine Kategorisierung treffen nach:

  1. Student teaching: Lehrsysteme für Studierende, beispielsweise Rückmeldungen beim Sprachenlernen
  2. Student supporting: studentische Unterstützungssysteme wie beispielweise individualisierte Lernumgebungen
  3. Teacher supporting: Unterstützung der Lehrpersonen, beispielweise bei der Veranstaltungsplanung
  4. System supporting: Systeme, die in (Lehr-)Organisationen unterstützen, beispielweise bei der Voraussage von Abbruchwahrscheinlichkeiten anhand von Indikatoren

Die Anwesenden haben viele Einblicke in ihre eigene Nutzung gegeben: für sich selbst zur Erstellung von Lehrmaterialien, Aufgaben und Prüfungsfragen, zur Strukturierung von Inhalten; als Unterstützung für Studierende beispielweise zum Auffinden von Quellen mit perplexity für Bachelorarbeiten. Die oben zitierte Richtlinie erschien vor der Freigabe von ChatGPT und hat daher eine direkte Nutzung von Sprachmodellen durch Studierende noch nicht berücksichtigt: Einige Lehrende haben die direkte Nutzung von KI-Tools bei der Bearbeitung von Aufgabenstellungen erlaubt – außerdem wurde bei Anwendungen, die eine Programmierung erfordern, die Generierung von Code durch KI nach spezifischen Anforderungen genannt.

Das Spektrum reichte also von Lehrenden, die bisher KI noch gar nicht im Hochschulkontext eingesetzt haben über Lehrende, die generative KI nur für ihre eigene Vorbereitung nutzen bis zu Lehrenden, die ihren Studierende die Wahl der Mittel völlig freigeben.

Wo ist das Problem?

Eine erste Frage, die sich an diese Kurzvorstellungen anschloss, war „Wo genau liegt das Problem der studentischen Nutzung in Arbeiten (sofern gekennzeichnet)?“ mit dem Hinweis auf beispielsweise Fachartikel, die anerkannt zitierfähig sind, aber im Einzelfall auch nicht immer hohen wissenschaftlichen Ansprüchen genügen. Damit war der Bogen gespannt zum Thema Quellenkritik und der grundsätzlichen Frage unabhängig vom KI-Einsatz nach der Qualität und Glaubwürdigkeit von Quellen (wenngleich bei KI-generierten Texten die Urheberschaft oft schwieriger auszumachen ist). Dies führte auf das Zwischenfazit eines Teilnehmers, dass generative KI nur ein Katalysator für Herausforderungen ist, die sich in der Hochschullehre grundsätzlich stellen.

Was und mit welchem Ziel und zu welchem Zweck lehren wir?

Eine dieser Herausforderungen lautet „Warum lehren?“, wenn alles Wissen, was wir vermitteln, doch von den Studierenden auch stets nachgeschlagen werden kann, weil es online bereits verfügbar ist: Wikipedia, Google, WolframAlpha und Co. sind schneller im Bereitstellen von Informationen als Studierende dies sein können. Die Antworten hierauf waren, dass in der Hochschule auch weitergehende Aspekte wie Demokratiebildung eine Rolle spielen, und nicht zuletzt natürlich prozedurales Wissen ausgebildet werden soll, was für den Berufsalltag notwendig ist.

Als weiterer wichtiger Punkt für die Berufsqualifikation wurde hier die Fähigkeit zur Selbsteinschätzung genannt: „Was kann ich? Was noch nicht?“ Für die Ausbildung einer solchen Selbsteinschätzung sind Rückmeldungen notwendig – dabei können Lehrende wie auch teilweise automatisierte (bis hin zu KI-basierten) Rückmeldesystemen hilfreich sein.

Im Hinblick auf die Lerninhalte sind die Lehrenden sind also nicht verzichtbar – selbst wenn alle präsentierten Informationen offen online üüber Suchmaschinen, Online-Enzyklopädien oder KI-Aufrufe verfügabr sind, so sind es doch sie, die diese Inhalte zum einen strukturieren, didaktisch aufbereiten und auch für Motivation und Rückmeldung sorgen.

Verschiedene Phasen

An dieser Stelle der Diskussion wurde deutlich, dass die Anwesenden schwerpunktmäßig in sehr unterschiedlichen Studiengängen, vor allem aber Kohorten lehren, d.h. entweder hauptsächlich in der Grundlagenfächern zu Beginn des Studiums oder aber in höheren Semestern eingesetzt sind. Damit ließ sich eine grobe Leitlinie als Konsens erzielen: Die Wichtigkeit, KI auch als Werkzeug auch im Berufalltag einsetzen zu können, nimmt im Laufe des Studiums zum Abschluss hin zu. In den ersten Semestern sollte hingegen zunächst primär der Erwerb von aktiv verfügbarem Wissen im Vordergrund stehen, d.h. der Einsatz von KI durch die Studierenden zur Bearbeitung von Aufgaben keine (große) Rolle spielen.

Welche übertragbaren Fähigkeiten und Kompetenzen (transferrable skills) sollten daher in den ersten Semestern erworben werden, so dass am Ende darauf aufgebaut werden kann (auch im Hinblick auf KI-Einsatz)? Einige des Wünsche, gerade auch im Hinblick auf Abschlussarbeiten waren dabei beispielsweise korrektes Schreiben und logischer Aufbau von Texten, Kennzeichnen von Zitaten, etc.

Gerade zur Frage nach dem Einsatz von KI in Abschlussarbeiten wurde die Idee vorgestellt, stärker auf eigene Datenerhebung und -auswertung zu setzen – Tätigkeiten, die sich nicht direkt an eine KI auslagern lassen, um darüber die Eigenleistung der Studierenden wieder stärker in den Blick nehmen zu können.

Die Rolle der Studierenden

Nach der ausführlicheren Betrachtung der Lehrenden und ihres Rollenverständnisses waren auch die Studierenden im Blick – wobei festzuhalten ist, dass hier der Blick der Lehrenden auf die Studierenden eine Rolle in der Bewertung verschiedener Lehrmethoden und damit auch dem KI-Einsatz ist: Das eine Ende des Spektrums bildet hier die Perspektive auf Hochschule als Zertifizierungsstelle für berufliche Qualifikationen. Ein Teilnehmer brachte das andere Ende des Spektrums gegen jeglichen Kulturpessimismus ins Spiel: Studierende wie alle Menschen sind letztlich erkenntnisgetrieben – der eigene Wissenserwerb wird daher nicht dauerhaft an Bedeutung verlieren.

Aktives Lernen und Motivation

Der Austausch kam gegen Ende wieder auf die bereits oben genannten Punkte zu sprechen, warum aktives Lernen und selber machen letztlich alternativlos sind: Ein Teilnehmer formulierte es so, dass es für ein eigenes selbstbestimmtes Leben notwendig ist, informiert Entscheidungen zu treffen. Diese sind aber nur möglich durch aktives Wissen, auf das jeder und jede individuell Zugriff hat und das durch persönliche Erfahrungen geformt wird.

Fazit

Mir erscheint als passendes Fazit, dass der Einsatz künstlicher Intelligenz das Potential hat, grundsätzliche Fragen der Hochschullehre und -bildung in den Fokus zu bringen. Während Antworten für die individuelle Lehrsituation letztlich sicherlich von Fach, Studienabschnitt, persönlichen Präferenzen und dem Blick auf die Studierenden abhängen, wurde in dem sehr intensiven Austausch mit unterschiedlichen Akteursgruppen (Lehrbeauftragten, (Labor-)Mitarbeitenden und Professorinnen und Professoren) aus unterschiedlichen Fakultäten für mich sehr deutlich, dass der Blick über den Tellerrand auch bei dieser Standortbestimmung sehr hilfreich ist.

Ganz herzlichen Dank für die Teilnahme und die vielen persönlichen Einblicke!

Ergänzungen und Rückmeldungen gerne über die Kommentarfunktion oder per Email an mich.

Miriam Clincy

Folien des Impulsvortrags

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