Aufgaben selbst erstellen lassen: Aktivierung und Binnendifferenzierung

Eine Möglichkeit, die ich gerne nutze, sind Aufgabenstellungen, in denen die Studierenden selbst Aufgaben erstellen, um ein Thema am Ende einer Lehreinheit noch einmal zu verankern. Diese Methode ist in der Schulmathematik gut untersucht, um damit Binnendifferenzierung zu erreichen (Hußmann & Prediger, 2007), aber aus meiner Sicht auch für den Hochschulbereich geeignet: Sie ist sehr aktivierend und für eine hohe Partizipation geeignet, da individuell von allen Studierenden Beiträge eingefordert werden. Damit schließt dieses Thema gut an die Diskussion des letzten Hochschuldidaktiktreffs an.

Je nach Lehrformat lassen sich die Ergebnisse digital dokumentieren (beispielsweise individuell sammeln in einem digitalen Whiteboard) oder in Partnerarbeit auf Papier oder Tablet bearbeiten.

Im folgenden zwei kleine Beispiele aus meiner Lehrpraxis zur Mathematik – auch wenn die Methode aus meiner Sicht natürlich auch für andere Fächer geeignet ist.

Dokumentation mit digitalem Whiteboard

In Mathematik 1 war das Thema „gebrochen-rationale Funktionen“ abgeschlossen mit der Bestimmung von Nullstellen, Polstellen und Asymptoten. Im Anschluss habe ich eine Steckbriefaufgabe gestellt, bei der eine Funktion mit bestimmten Eigenschaften gesucht war.

Aufgabenstellung für eine „Steckbriefaufgabe“ mit vorgegegeben Eigenschaften und Angabe des digitalen Whiteboards für „Sachdienliche Hinweise“

Die Aufgabe eignet sich insbesondere deshalb gut zur Binnendifferenzierung, weil sie für Studierende, die sich noch auf den unteren Stufen der Bloom’schen Taxonomie (Bloom & Krathwohl, 1986) befinden, ein vielleicht herausforderndes, aber doch erreichbares Ziel darstellt im Sinne der Zone of Proximal Development (Vygotsky & Kozulin, 2012): Die Aufgabe lässt sich einfach lösen, in dem die zuvor besprochenen Musteraufgaben herangezogen und die geforderten Zahlenwerte an den richtigen Stellen angepasst werden: Das setzt voraus, dass die Begrifflichkeiten (Nullstellen, Definitionslücke, hebbar) verstanden und in einem einfachen Transfer angewendet werden können. In den unten gezeigten studentischen Ergebnissen ist das dann auch die am häufigsten gewählte Lösung.

Auszug aus den studentischen Antworten zur Steckbriefaufgabe mit rechts mit einer fortgeschrittenen Lösung in gelb

Für leistungsstarke Studierende lässt sich entdecken, dass es auch andere Möglichkeiten gibt, die Anforderungen umzusetzen, gerade auch, wenn auf andere Funktionstypen zurückgegriffen wird. So findet sich rechts in gelb eine korrekte Lösung mit einer Logarithmus-Funktion. Am wichtigsten war hier sicherlich, dass der Student in der Vorlesung sichtlich Spaß an der Herausforderung und am Präsentieren seiner ungewöhnlichen Lösung hatte.

Lösungen und Feedback in Partnerarbeit

Während ich bei der oben gestellten Aufgabe die Lösungen im Plenum besprochen habe, gibt es auch die Möglichkeit, solche Aufgaben zum Peer Feedback (also mit gegenseitiger studentischer Beurteilung) einzusetzen.

Nach dem Erstellen der Aufgaben setze ich eine Phase an, in der dann die Aufgaben in Partnerarbeit nicht nur gelöst, sondern auch bewertet werden sollen. Die Bewertung findet also unmittelbar durch die Studierenden selbst statt, mittelbar habe ich Einfluss, indem ich die Bewertungskriterien vorgebe: In dem Fall ging es nicht nur um die Korrektheit der Aufgabenstellung, sondern auch um die Verständlichkeit und Zugänglichkeit der Aufgaben (z.B. „Sind sie ohne Taschenrechner lösbar?“) – dieselben Kriterien sind natürlich für das Erstellen der Aufgaben bekannt.

Das Beispiel wurde eingesetzt nach Abschluss des Themenbereichs Differentialgleichungen, um einige der besprochenen Typen noch einmal voneinander abzugrenzen. Ohne viel Aufwand lassen sich die Aufgaben (unter Zurückhaltung der Musterlösung….) in Partnerarbeit austauschen und sich mündlich anschließend gegenseitig Rückmeldung geben.

Arbeitsauftrag zum selbst Erstellen von Differentialgleichungen erster Ordnung

Hochschuldidaktisch bietet ein solches Peer Feedback die Möglichkeit, dass die Studierenden durch die vorgegebenen Kriterien für die Erstellung und die Beurteilung angeleitet werden, ihre Beurteilungskompetenz gerade auch im fachlichen Bereich auszubauen.

Fazit

Aus meiner Sicht hat die Methode „Selbst Erstellen von Aufgaben“ hochschuldidaktisches Potential zur Aktivierung von Studierenden unter Berücksichtigung von Binnendifferenzierung. Kombiniert mit (kriteriengeleitetem) Peer Feedback bietet sie die Möglichkeit, die Studierenden an fachliche kritische Reflexion heranzuführen.

Über weitere Anregungen und Einsatzideen freue ich mich, insbesondere über Vorschläge jenseits der Mathematik.

Referenzen

Bloom, B. S., & Krathwohl, D. R. (1986). Taxonomy of educational objectives. 1: Cognitive domain (29. print). Longman.

Hußmann, S., & Prediger, S. (2007). Mit Unterschieden rechnen. Differenzieren und Individualisieren. Praxis der Mathematik in der Schule, 49(17), 1–8.

Vygotsky, L. S., & Kozulin, A. (2012). Thought and Language, Revised and Expanded Edition. MIT Press. http://public.eblib.com/choice/PublicFullRecord.aspx?p=6353344

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